Ambivalente Aussichten
Als „absolutes Pfingsthighlight“ wirds gern für Hörnum tituliert, im späteren Sommer dann auch nochmal bei Keitum zelebriert: das Polospielen auf Sylt. Schon Tage vorher läuft die Maschinerie an: Pferde reisen im Gruppentransporter nach Sylt, emsige Mitarbeiter richten Unterkünfte für die Tiere her, VIP-Zelte wachsen am Hörnumer Hafen in die Luft, insulare Reitmädchen überlegen nachts, ob sie sich als Helferinnen bewerben sollten, der Wert für die Argentinierdichte auf der Insel schnellt nach oben, Desche und sein Trecker tuckern von Morsum nach Hörnum, was eine endlos lange Reise mit knapp 30 km/h sein kann. Nun ist es mit dem Polospielen ja so, dass es der Insel irgendwie gut steht (aus Touristikersicht), dass es eine eingeschworene Hamburger Clicque begeistert (es gibt keinen idyllischeren Stall als den der Hanseatischen Polofreunde in Flottbek) und dass es die Sylter irgendwie bereichert (wenn man seine Fenne langfristig vermieten kann) und manchmal auch irritiert. Kann das wirklich gut sein für die Pferde? Diese kurzen Stopps? Diese allen Instinkten zuwiderlaufenden Bodychecks? Diese harten, kurzen Spielepisoden?

Zuschauer, zweite Reihe, Polo Pfingsten 2015 in Hörnum. Hat jemand gesagt, die Großen bitte alle nach vorn? Egal! Los, wir schaufeln uns ein Podest
Die Eingeborenen teilen sich in zwei Lager auf: Enthusiastische Fans, die sich in den Anfängen der Sylter Polo-Aera tatsächlich online riesige Hüte orderten (es mag eine Verwechslung mit den Rennen in Ascot vorgelegen haben oder einfach die Lust auf echte Sommerfrische). Diese werden flankiert von talentierten Sylter Nachwuchsreitern, die als Handlanger zum ersten Mal auf Tieren sitzen, die weit über 5000 € gekostet haben und nicht als „ein Kracher aus unserer Sylter Stute“ selbstgezogen wurden. Sie erlernen binnen kürzester Zeit das absurd erscheinende Leichttraben im Galopp und eine Souveränität im Pferdehandling, von der sie bisher träumten, außerdem: erste Brocken Spanisch. Was , s.o., an den Argentiniern liegen mag, die den Polotross heimlich, unauffällig und leise zu dirigieren scheinen auf Sylt bis der „Star“, der Spieler und Gehaltszahler aus HH (gern aus echt angesagter a) Agtenur, b) Bank c) Immobilienconnection), auftaucht auf der Insel. Begeistert sind auch all jene unterwegs, die sich irgendwie in der Nähe des Sponsorentums (Mein Vater kennt einen Onkel, der ist der Mann von der, die immer mit der Kiki…) in Szene setzen und Freikarten für das VIP-Zelt ergattern konnten. Bevor man hinfährt, isst man erstmal nix, knallt der Champagner schneller. Bis zu sechs Stunden halten sie es aus im Festzelt und beobachten mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen, wie sich vermeintlich Wichtige inszenieren, die doch nichts anderes machen, als sie selber. Rumsitzen, sich auffällig amüsiert unterhalten, echt begeistert aussehen, Dazugehören simulieren.

Pferdiger Enthusiasmus sieht möglicherweise anders aus: Polotiere vor Hörnum in Warteschleife auf den Job
Die weniger Enthusiastischen reiten selber, oder füttern Pferde hinterm dem eigenen Haus, und können sich nicht vorstellen, dass das den Tieren Freude macht. Tiefer Sand. Sengende Sonne. Schnelle, anspruchsvolle Arbeitseinheiten, von Null auf Hundert, mit pumpendem Herzen und ebensolchem Puls, rasch wieder beendet. Wobei die Einsätze, der Veranstalter gibt sich wirklich Mühe und sorgt sich offenbar um die Pferde, sucht nach einem Kompromiss zwischen tollen Szenen für Presse und Pöbel und Tierschonung, schon dadurch minimiert wurde, dass die einzelnen Spieleinheiten kürzer sind als auf normalem Untergrund (Gras) und eine Mannschaften „nur“ aus je zwei Spielern besteht. Große Begeisterung mag im Publikum trotzdem nicht aufkommen. Auch nervt der Ansager mit seinem Mix aus Selbstbeweihräucherung, plumper Rumkumpelei und pseudopolyglottem Denglisch. Sichtlich schwer fällt es dem Publikum, sich mit dem „Team Köpi“ zu solidarisieren, mit „Julius Bär“ oder „Lanson“, die Konzentration aufs Spielgeschehen lässt immer wieder nach. Wie, was? Schon wieder zu Ende? Die heimlichen Stars der Szenerie sind – neben putzigen, wirklich entzückend aufgestylten und genau im richtigen Maß inselig verwilderten Kindern – die Hunde. Wobei ein Besitzer denn auch schon krakeelt: „Wennseden fotografiernwolln, dann kost‘ das Honorar!“. Diesen Hund sehen Sie hier also leider nicht. Genauso wenig, wie das volle Ausmaß der recht skurrilen Szenerie vor den Blocks des Dorfes Hörnums. Zu hart sind die Kontraste zwischen dem Plattenbau der 1970er Jahre und der Weltherrschaft des Marketing, Jahrgang 2015.