Fisch mit Verfrühung
Wunderschön war der Mai. Wenns das mal hoffentlich dann nicht schon wieder gewesen ist mit dem Sommer für dieses Jahr, unkten notorische Sylter Pessimisten, während Kenner, vorzugsweise solche mit eigenem Räucherofen, Meerestemperatur, Sonnenstunden und Thermometer aus ganz anderen Gründen akribisch im Auge behielten. Tauchen doch die großen Makrelenschwärme normalerweise erst Ende Juni, Anfang Juli vor der Insel auf, es sei denn, es ist etwas früher etwas wärmer als normal, also genau so wie in diesem Jahr.
Und so brach es 2016 bereits Mitte Juni aus, das große syltweite allgemeine Makrelengewusel. Alle an die Boote, wo ist der Hänger? Ist Kai schon los? Gehst du mit Ove oder warst du schon? Ich will auch gleich. Wir waren schon gestern. Zur unwiderstehlichen Makrelenbewegung gehört tatsächlich hier auch, dass Männer zu spät zum Job gehen oder viel zu früh von selbigem nach Hause kommen. Dass manche ihre Arbeitsplätze einfach verlassen oder gar nicht erst dort auftauchen. Dass viele stillschweigend und erstaunlich schnell abhauen und aufs Meer hinausschippern, wenn ES so weit ist, wenn die großen Makrelenschwärme da sind. Oder abends nicht nach Hause, nicht „an Land“ kommen, dabei ist es doch schon längst dunkel überm Horizont. Jaja, aber nur, wenn man nicht selber auf dem Meer unterwegs ist, sagen die Männer, nur, wenn man vom Strand aus guckt, Landei.
Wird alles toleriert, wenn die Makrele da ist. Warst Du schon los? Klar. Du etwa nicht? Dochdoch. Wo Bernd ist? Na, wo wohl. Auf Makrele, wo denn sonst. Hast Du eine für mich über, oder zwei? Logisch, komm‘ rüber.
Makrelenangler können eine Zumutung sein (wie die alten Herren von Buhne 16, die nach einem, nun, nennen wir es „kleinen Vorfall“, von ihren Frauen gezwungen wurden, IMMER orangene Warnkleidung und Schwimmwesten zu tragen, wenn sie auf Makrele gehen, ganz egal, wie warm es ist). Makrelenangler können ein Segen sein (Wie Norbert, wenn er die Küche vom „Grande Plage“ kurzfristig, überraschend und köstlich beliefert). Makrelenangler sollte man im Freundeskreis haben. Und einen Räucherofen hinten im Garten. Nichts, wirklich nichts schmeckt so sehr nach Sylter Sommer wie dieser Fisch, mitt fetttriefenden Fingern und -glänzenden Lippen genossen. Ausgenommen werden muss er übrigens sofort, direkt noch am Strand. Weil dann auch die gierig den Anglern seit Tagen folgenden Möwen wissen: Nun ist der Sommer wirklich wieder da.