Sylter Reisen

Wo gehen die Strandkorbwärterhäuschen hin im Winter? Auf die Betriebshöfe der jeweiligen Tourismusservices, Schrebergartenhäuschenkolonie spielen und Winterschlaf halten. Eng rücken sie zusammen wie hier in Wenningstedt an der Strandkorbhalle und warten darauf, dass es endlich Frühling wird. Die Menschen, die im Sommer die Häuschen besetzen, haben es da besser getroffen: In der Regel und wenn finanziell irgend möglich verschwinden sie im Winter in den Süden oder auf andere Kontinente, der Sonne hinterherreisen. Top-Reiseziele im Insel-Ranking dieses Winters: Sri Lanka, dicht gefolgt von Dubai, dem wiederum Australien im Nacken sitzt. Sylter verreisen übrigens gern in größeren Rudeln, die sich zufällig oder mit Vorsatz ergeben. Egal, wo man hinfliegt – irgendeinen trifft man garantiert, meistens schon am Hamburger Flughafen in der Wartezone des ersten direkt nach Ferienbeginn oder dem großen Gästeansturm über den Jahreswechsel erreichbaren Flugterminals. Sollte es erst am Urlaubsort zum Treffen kommen, hat das immer was Skurriles – wenn plötzlich ein fröhliches „Mooooooin“ mit langgezogenem „O“ durch neuseeländische, portugiesische oder kanarische Gassen schallt.

Warum Sylter so gern zusammen verreisen? Das hat mehrere Gründe. Erstens sieht man sich während der immer länger werdenden Saison sowieso viel zu selten und kann dann endlich und ausgiebig mal alles beschnacken, was so „ansteht“. Zweitens gibt es Insulanern Sicherheit, wenn man in fremden, festländischen Regionen Bekannten, die Ausländisch sprechen, folgt. Drittens beschäftigen sich die oft zahlreichen Gören in großen Herden herrlich miteinander und weniger mit den Eltern, was wiederum selbige kolossal entspannt. Viertens reisen viele Surfer der Welle hinterher, suchen Sylt bloß in warm undgenau das eben findet man nicht an so vielen Plätzen auf der Welt. Natürlich gibts auch unter Syltern wiederum Individualisten, die gern ihre Ruhe haben und niemanden sehen wollen. Die suchen das Ziel dann antizyklisch aus, fliegen jetzt nach Florida (Top-Hit in den Jahren 2009 bis 2011), nach Fuerte (Top-Hit bis cirka 2009) oder verkriechen sich auf den Lofoten beziehunsgweise in Island.

Die Rudelreiserei hat für alle Insulaner, das nur abschließend, einen großen Vorteil: Wann immer man sich, egal ob beruflich oder privat, auf den Weg macht, fragt man vorher einmal in die Runde, ob einer einen kennt, der einen kennt den man kennen könnt‘ zum Beispiel in San Diego (ja, Hendrik, genau!), auf Gomera (nä, André?), in Margaret River (skål, Fin-E.!) oder in Rom (Grüße, Katharina!). Das bringt dann unter Umständen ein Gepäckplus mit sich, ein Surfbrett für jemanden in Sydney oder ein Friesenvollkornbrot für Wellington, öffnet aber sofort und überaus herzlich bisher unbekannte Türen. Überall auf der Welt.

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