Seniorentauschprogramm

Viel zu früh, sieben Uhr. Torsten Hillje, alltags Fahrdienstleiter bei der Sylter Verkehrsgesellschaft, freut sich auf einen Kaffee. Karsten „Pucki“ Puck, seit einigen Monaten und nach 62 SVG-Jahren Rentner, ist aufgekratzt. Oldie wegfahren, neuen alten holen, er darf noch mal mit, die Busfahrermütze aufgesetzt, ist doch selbstverständlich, war schließlich des Gelben Stammfahrer. All‘ die Jahre. Der alte gelbe FBW dieselt den Westerländer ZOB voll, Motor soll gern bisschen warm werden an diesem sehr kalten, seinem letzten Inselmorgen, vor dem Autozug-Transfer. Etwas Wehmut liegt in der Dunkelheit. Der gelbe war immer Puckis Lieblingsbus. Und sogar Torsten, sicher nicht übersensibel, sagt leise, „Die Kupplung ist echt noch super, die hab ich selber gemacht.“

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In Niebüll wartet schon der neue alte, ein grüner Magirus-Eckschnauzer. Kein Syltneuling, zum 125jährigen SVG-Jubiläum im Sommer 2013 war er schon mal hier als Gratulant, und da hat „Cheffe“ Sven Paulsen sich verknallt in den perfekt restaurierten Oldie von Buspapst Helmut Radlmeier aus Bayern. Nun wird der Gelbe in Zahlung gegeben, das Inselklima hat ihm schwer zugesetzt in 16 Syltjahren, Restaurierung unbezahlbar, wenn mans nicht selber machen kann, da fehlt die Zeit im lebhaften Inselnahverkehr. Kaum ein SVGler, der nicht mal dran herumschraubte oder fingerte.

Oldies sind Pflegefälle und von denen trennt man sich nicht einfach so. Hat was von Alten-Hund-Verpflanzen und damit sind wir wieder bei Pucki, der tapfer und gewohnt wacker sein neues, busfreies Leben einrichtet seit einigen Monaten. 1953 hab ich ja bei der SVG angefangen, sagt er in die Kamera und die Marketingchefin der SVG, auch noch nicht ganz wach, stellt leise fest: Da waren meine Eltern noch nicht mal geboren. Diese letzte Fahrt ist, sie glaubt es selber kaum, ihre erste mit dem gelben Oldie, dabei ist sie doch schon so lange beim Unternehmen. Eine TV-Frau ist dabei, Millimeter für Millimeter fädelt Torsten den sperrigen Bus auf den Flachwagen, es geht, wenn auch rückwärts, der Sonne entgegen, das tut der Seele gut, und die Kamerafrau, sie spricht Süddeutsch, filmt und filmt, und ringt um Sylter Orientierung, fragt, ob das Watt nun eigentlich links oder rechts liege am Hindenburgdamm? Was soll man dazu sagen. Es wird ruhig im Bus. In Niebüll angekommen, wird getauscht. „Wenn Ihr ihm noch was zu sagen habt, dann jetzt“, sagt der Radlmeier, auch er kein Freund vieler Worte, 900 Kilometer mit dem Radlader und einem Bus huckepack liegen vor ihm. Die Kollegen von der NEG, die ihren Hof für das Tauschgeschäft zur Verfügung stellten, fotografieren sich einen Wolf, tolle Bilder, zwei alte Busse, Supersache das hier. Eine Frau, Syltpendlerin, nicht mehr ganz jung, die es jobmäßig in die Reichweite der Insel verschlagen hat, „Ich putze drüben“, streicht dem Eckschnauzer gerührt über die Haube. Mein alter Schulbus, ich komm auch aus Bayern, wie oft ist sie mit dem gefahren damals. Die Sylter geraten in Entzücken beim Einsteigen in den neuen, zunächst vor allem wegen der potenten Standheizung, schon ganz schön kalt, so insgesamt, dann wegen der detailverliebten Ausstattung. Original-Vorhänge! Ein Cabriodach! Panoramafenster! Die süßen Winkeblinker! Torsten stochert derweil nach dem dritten Gang, sehr gewöhnungsbedürftig Schaltung. Noch ein Brötchen, noch einen Tee, einmal aufs Klo, der nächste Autozug zurück ist „unser“.

Oldtimer rühren die Frage nach der Vergänglichkeit an. Ganz große Oldtimer provozieren große Gefühle. Ab dieser Stelle müssen wir alle Beamten und Superkorrekten bitten wegzulesen. Für alle Gefühlsmenschen hier der beruhigende Nachtrag, dass Pucki sich um Viertel vor sieben auf dem ZOB tatsächlich gebührend von „seinem“ Bus verabschiedet hat, Vorschrift hin, abgegebener Busschein her: Als sich die kleine Reisegesellschaft am ZOB beim Start die Füße vertrat, schnappte er sich den Schlüssel, sprang in den Bus, heizte einmal um den ZOB, hupte laut, lichthupte beherzt und drehte winkend eine Runde, wie er es 16 Jahre lang immer getan hatte vor Rundfahrten mit dem Gelben. Ach, lass ihn ma, weggedreht, nix gesehen, ma‘ gut, der Torsten war grad‘ kurz zur Toilette, und eigentlich ist das hier doch bestimmt Privatgelände.

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