Nicht so stürmisch, bitte

Es weht ein wenig von Ost. Es naht ein Sturm, sagt der Wetterbericht, 8:45. Ich gucke raus, es ist grau, es gibt Wind. Beides nicht ungewöhnlich für eine Insel im November. Um 11:15 nächster intensiver Check, es ist grau, es gibt Wind, es ist November. Um 11:34 registriere ich eine Nachricht auf dem Smartphone, sie kommt von der App „KATWARN“, die unter hoffentlich niemals eintretenden Umständen sicherlich gut und überaus wichtig ist: UNWETTERWARNUNG, so schreit es mich in Versalien an, vor ORKANARTIGEN BÖEN solle ich mich hüten, die Ausrufezeichen schwingen mit beim Lesen, ab 14:00 werden die bösen ORKANARTIGEN kommen. Ich gucke raus, es ist grau, es ist Wind, es ist immer noch November. Gegen 13:00 bin ich unterwegs mit Kurs Strand. Sturmfotos machen, die community wartet sicher schon drauf. Das einzig Bemerkenswerte, was sich am Fuß des Roten Kliffs von Kampen findet, ist – neben keiner Handvoll Spaziergänger –  netter sogenannter spray, der alle Wellenliebhaber entzückt: Der Wind kommt immer noch von Ost, die Wasserbewegungen sind wunderschön, klar definiert, mit ostwindgepushter Wischelkante. Inzwischen regnets intensiver, und es wird online diskutiert, ab wann der Autozug nicht mehr fahre, während Meeno Schrader, der sehr agile Kachelmann des äußersten Nordens, das obligatorische Sturmdemonstrations-Puschelmikrofon am obligatorischen und bundesweit bekannten Anleger Dagebüll in den im November durchaus gängigen Wind hält und sich ein wenig gegen selbigen stemmt, das Ganze direkt am Wasser, das sieht gut aus. Die ersten Anfragen aus dem Bundesgebiet erreichen die Insel per Whatsapp, gehts euch gut, alles klar da oben, lebt ihr noch, toitoitoi und Gottchen, hoffentlich passiert der Odde und euch nichts. Online wirds inzwischen immer professioneller. Auf Facebook werden Knoten gegen km/h aufgerechnet, es werden Für und Wider unterschiedlicher Windgeschwindigkeitsmesseinheiten diskutiert. Hilfsbereite signalisieren, wer hier noch wegkommen wolle, solle jetzt mal aber sofort los, es sei „schon sehr voll an der Verlade“. Dieses kleinen „schon“ signalisiert meinem Unterbewusstsein einen Touch von „alle hauen ab“, jetzt will es Adrenalin ausschütten, der Verstand wirkt energisch gegen, ich gucke raus. Es ist Wind, es ist grau, es ist November. Es wird langsam dunkel. Es regnet. Es wird wärmer, schon acht Grad, der Wind frischt etwas auf und dreht langsam Richtung Süd, der Insulaner sich parallel nachdenklich auf der Couch und überlegt: Wer überwarnt ist, ist dann vielleicht im entscheidenden Moment nicht mehr wirklich wachsam. Etwas weniger mentale Katastrophenbereitschaft täte uns allen gut, an einem Sonntagabend, in diesen Zeiten. Auf eine gute Nacht, Insel.

Schicker spray, kleine tube: hilft gegen allgemeine Unwetterhysterie, nebenwirkungsfrei

Schicker Spray, kleine Tube: hilft gegen allgemeine Katastrophenbereitschaft, nebenwirkungsfrei