Biike-Theater

Wenn Biike ist, herrscht Ausnahmezustand auf der Insel. Dieses Jahr liefert das folkloristische Insel-Schauspiel einen skurrilen Akt schon im Vorspiel.

Ernst Mack passt auf, dass keiner die Norddörfer Biike vorab abfackelt. Das ist für ihn ein Job, für den er vom festland anreiste.

Vorhang auf – das Biike-Theater tobt. An der Verlade in Niebüll drängeln sich die Anreisenden, in den Supermärkten auch. Die schlechte Nachricht vorweg: Noch lebender Grünkohl ist ausverkauft, seit Tagen, wenn man die Variante „selber einkochen“ vorzieht. Seit Marleen Filter von der Gärtnerei „Uthland“ in Westerland sich endgültig vom Wochenmarkt verabschiedet hat, wirds sowieso schwieriger, welchen aufzutreiben. Biobauer Vollquardsen wurde von ”Fitschen“ und Jörg Müller geplündert. Dosen oder TK-Ware findet man wahrscheinlich noch. Mit einem freien Platz an einer öffentlichen Grünkohltafel wirds schon schwieriger. Der Friesensaal ist ausgebucht. In der Norddörferhalle geht noch was, gern auch an der Abendkasse., dafür gibts Livemusik mit „Dick und Durstig“, deren  Programm nicht ganz so übel ist, wie der bedrohliche Name vermuten lässt. Die meisten Restaurants sind sehr gut gebucht, aber manchmal hat man auch Glück, wenn man einfach irgendwo reinstolpert. Wer ohne Reservierung auf der Insel unterwegs ist, ist in der Regel ein solcher Exot, dass er manchmal das Herz der Hausherrn erweicht. Viel Glück, sollten Sie nicht zufällig privat eingeladen sein.

Manchmal beschert der Spagat zwischen touristischen Gelüsten (mehr! Besucher! her!) und traditionellen Gesten (Biike! Wache!) der Insel besonders schräge Effekte: Von den Norddörfern wurde erstmals ein Flensburger Sicherheitsdienst engagiert, um die Biike zu beschützen, nachdem sie in den vergangenen Jahren schon zwei Mal verfrüht abfackelte, was eine gesamtinsulare Schande ist. Sämtliche fiesen Witze über die Kampener, wovon sich viele anbieten, wurden in dem Zusammenhang schon gemacht, die lassen wir hier weg. Eigentlich hat der Versuch des vorzeitigen Abbrennens der Nachbar-Biike Tradition und gehört einfach dazu, jedenfalls der Versuch. Normalerweise wachen die Konfirmanden des jeweils aktuellen Abschluss-Jahrgangs des nachts über den großen Brennholzhaufen. Davon gibts aber nicht mehr all zu viele in Kampen und Wenningstedt. Oder sie haben keine Lust/Zeit mehr und dann wird eben von außen jemand engagiert, der das regelt. Zwei Männer wechseln sich ab bei der Biike-Wache, einer davon, der Ernst Mack, freut sich über Besuch und mag den Job, “mal was anderes, als die Einsätze beim Surfcup“. Leichter machts ihm eine großzügige „Spende“ von Reetdachdecker Finke, der steuerte einen Bauwagen nebts Elektro-Heizung bei. Und da stehen sie nun, der Wagen, die Heizung und der Mack und frösteln. Bisschen kalt wird auch echten Insulanern, wenn sie sich die Szenerie angucken. Was war das schön früher. Die Kinder, die nachts um die Reisighaufen tobten. Die Erwachsenen, die sie heimlich dabei beobachteten, wie sie Premieren feierten, in der Kälte. Die erste Zigartette, wir haben es nicht gesehen, wir Alten, ein erstes Bier, manchmal auch ein scheuer Kuss, das alles gehörte zu Biike wie das neue Samtkleid, das schon am Kleiderschrank hing und auf den Petritanz am Tag nach Biike wartete, wie die neuen Lackschuhe, die man irgendwo abgestaubt oder dem elterlichen Konto abgetrotzt hatte.

 

Mittendrin in Kampen: ein altersstrapazierter Strandkorb. Eigentlich streng verboten, aber gut, hier drücken wir mal ein Auge zu. Und weiteres Reisig und viel Baumschnitt drauf. Dann siehts keiner mehr.

Mittendrin in Kampen: ein altersstrapazierter Strandkorb. Eigentlich streng verboten, aber gut, hier drücken wir mal ein Auge zu. Und weiteres Reisig und viel Baumschnitt drauf. Dann siehts keiner mehr.

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